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Stress reduzieren - Verhalten vs. Verhältnis

Sie sind gestresst. Vielleicht sagen Sie sich: „Wie soll ich diesen Stress nur durchstehen“. Wo soll man anfangen? Nun, Stress gilt ja auch als Kehrseite der Medaille bei hohen Leistungen (Greif, S. (2018)). Aber man muss natürlich sagen, dass Stress, vor allem, wenn er länger anhält, ernst genommen werden sollte. Immerhin geht es mindestens um eine erhebliche Einbuße in puncto Lebensqualität und Leistungsfähigkeit – auch ohne gleich an die gesundheitlichen Risiken zu denken, die mit Stress einhergehen. Auch ist das ungefragte Gerede von irgendwelchen Komfortzonen, die man tunlichst verlassen und möglichst nie wieder betreten soll, in Sachen Stress sicher nicht gerade günstig.


Grundsätzlich gilt, dass man sich mit seinem Stresszustand gründlich beschäftigen sollte. In einem Coaching sind Sie mit einem solchen Anliegen gut aufgehoben, denn da steht eine ressourcenorientierten Analyse Ihrer Stresssituation am Anfang. Davon ausgehend werden Möglichkeiten erarbeitet, die Ihnen helfen, den Stress besser zu bewältigen und zu verringern. Vorrang haben dabei Möglichkeiten zur Veränderung der Stresssituation und von Arbeitsbedingungen im Sinne einer Verhältnisorientierung. Das heißt, es nützt nichts, wir müssen ran an die Stressoren, die aus Ihrem Umfeld auf Sie einwirken. Denn starke und über Monate andauernde Stresssituationen können auf Dauer nicht allein durch personenbezogene (verhaltensorientierte) Interventionsmethoden und Techniken bewältigt werden. Zum Prinzip der Verhältnisorientierung gehört eben, dass man sich auf eine Verringerung der Stressoren konzentriert. Die stärksten Effekte sind zu erwarten, wenn gleichzeitig die Stressoren verringert und die Ressourcen zur Stressbewältigung erweitert werden (Greif, S.. (2018, 2011)).


Aber Sie fragen sich vielleicht, was Sie selbst schon oder zusätzlich für sich tun können. Und da gibt es natürlich viele Möglichkeiten. Das Internet ist geradezu voll von Angeboten und Möglichkeiten zur Verbesserung des individuellen Verhaltens (im Sinne einer Verhaltensorientierung) und Ihrer eigenen Kompetenzen zur Stressreduktion (Coping). Zumindest gibt es schon mal Angebote zu Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen in Hülle und Fülle. Wenn ich da etwas hervorheben soll, würde ich Techniken anschauen wie

  • Einfaches Sammeln eigener positiver Gedanken (so simpel es klingt: z.B. notiert auf Karteikarten oder Post-Its oder vielleicht unterstützt durch Bildkarten oder eigene Fotos)

  • Entspannungsübungen

    • Progressive Muskelentspannung nach Jacobson

    • Autogenes Training

    • Yoga

    • Achtsamkeitsmeditation

Allerdings:

Mit heute im Coaching populären verhaltensorientierten Methoden wie Achtsamkeitsübungen oder durch individuell angepasstes Zeit- und Stressmanagement können durchaus positive Wirkungen erzielt werden. Allerdings sind die Effekte oft schwach. Bisher gibt es kaum genügend Evidenz, die es Coaches erlauben würde, nach wenigen Coachingsitzungen nachhaltige Verbesserungen zu versprechen.

Greif, S. (2018). Stress und Stressmanagement im Coaching. In S. Greif, H. Möller, & W. Scholl (Eds.), Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching (pp. 563-572). Heidelberg: Springer.


Diese Ideen kennen Sie vermutlich alle. Und es ist eigentlich auch ganz einfach und kann direkt und low budget (oder ganz kostenlos) gestartet werden. Bevor Sie gleich einen ganzen Kurs buchen, können Sie ausprobieren, was zu Ihnen passt. Zu empfehlen ist es natürlich, sich gemeinsam mit Ihrem Coach auf Grundlage Ihrer Situationsanalyse danach auf die Suche zu machen, was in Ihrer Situation am besten passt. Auch hier ist es möglich kurze Entspannungsübungen einzubinden. Wenn Sie aber lieber schon etwas stöbern wollen, ich habe hier einige Links eingebunden (meine freie Auswahl, nach Gusto, ganz sicher nicht vollständig), unter denen Sie kostenfreie Angebote zum Ausprobieren finden.


Hier nur EIN Beispiel:

Quelle: YouTube-Kanal von minddrops. Hinweis: Ich habe keine Beziehung zu den Anbietern – weder persönlich noch wirtschaftlich, bin also in keiner Weise an den Inhalten beteiligt oder gar dafür verantwortlich. Ich fand sie lediglich für mich selbst annehmbar und gut erträglich (was nicht immer der Fall sein muss und natürlich immer ganz individuell und subjektiv Geschmackssache ist.).

Anmerkung: Schauen Sie ruhig mal auf der Website Ihrer Krankenkasse nach Beiträgen zu den genannten evaluierten oder wissenschaftlich untersuchten Methoden. Auch hier nur EIN Beispiel: https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/aktiv-entspannen/progressive-muskelentspannung-zum-download-2021142


Gerne wird ja auch gefragt, „Und, was bringt das alles?“: Zum Themenkreis „Wirksamkeit von Meditaion und Achtsamkeit“ erschien gerade ein interessantes Interview mit dem Gießener Bewußtseins- und Meditationsforscher Dr. Ulrich Ott. Der Zeitpunkt des Interviews ist nicht zufällig, denn kürzlich erschien Otts neues Buch „Spiritualität für Skeptiker: Wissenschaftlich fundierte Meditationen für mehr Bewusstheit im Alltag“ in einer Reihe, die bereits Stichworte wie Meditation, Atmen (mit Janika Epe, M.Sc.) und Yoga thematisierte. Die Bücher sind zum Teil mit Audio oder Video-Medien verbunden, die zum Ausprobieren einladen. Als Wissenschaftler wählt Ulrich Ott den kritischen Blick auf die beschriebenen Methoden, lässt nichts aus und zeigt, welche Anschauungen spekulativ und welche Übungen riskant sind. Auch die für den rationalen Verstand befremdlichen Aspekte würden nicht einfach umgangen, sondern sorgfältig beurteilt, heißt es im Verlagstext des Titels „Yoga für Skeptiker“.


Die erlebten positiven Wirkungen der oben genannten Methoden können für Sie sehr beeindruckend sein. Das Risiko ist jedoch groß, dass sie nur kurzfristig erzielt werden, gewissermaßen als ein Strohfeuer. Um sie zu verstetigen, ist in der Regel eine Umsetzungsbegleitung im Coaching erforderlich. Erst dann wird erwartet, dass sie zu einer neuen stabilen Verhaltensgewohnheit werden und langfristig positiven Effekten führen. Also, Motto: Umsetzungsbegleitung bis zur neuen Gewohnheit (Greif. S. (2021 in Vorber.)).

Hypnotherapeutische Methoden können ebenfalls zur Entspannung eingesetzt werden, wenn sie mit Entspannungssuggestionen verbunden werden. Der verantwortliche Umgang mit intensiven suggestiven Methoden erfordert allerdings eine psychotherapeutische Grundqualifikation und intensive spezielle Ausbildung. Auch gibt es nicht viele Institutionen die eine seriöse und fundierte Ausbildung anbieten. Ich habe solche Verfahren nicht in mein Coaching-Konzept integriert. Sollten Sie sichdafür interessieren, seien Sie sorgfältig bei der Auswahl der Anbieter. Gegebenenfalls kommen Sie auf mich zu – ich unterstütze Sie bei der Suche und hole Erkundigungen für Sie ein. Es ist gefährlich, wenn diese Verfahren von Laien oder nach kurzer Ausbildung praktisch eingesetzt werden (Schauen Sie auch mal unten in die Literaturhinweise.). Und daher empfehle ich sie hier auch nicht als allgemeine Coachingmethoden.


Kurz etwas zum Stichwort Burnout: Ständige Überlastung durch „Stress über dem Limit“ (Burisch, 2010) kann Burnout hervorrufen. Hauptsymptom von Burnout ist eine chronische oder totale emotionale Erschöpfung. Sie wird in allen Definitionen und diagnostischen Verfahren hervorgehoben, etwa in Klassifikationssystemen, mit denen Ärzte und Psychotherapeuten ihre Diagnosen codieren, etwa im Schlüssel Z 73.0 (ICD-10, 2012). Matthias Burisch (2010), ein führender Fachautor in diesem Gebiet führt weitere Symptome und Folgen von Burnout auf. Wer unter einem Burnout leidet, sollte sich dringend in psychotherapeutische Behandlung begeben. Ein Coach ohne eine entsprechende Ausbildung darf hier nicht tätig werden. Angst vor Stimatisierung kann allerdings Klient/innen dazu veranlassen, eher einen Coach aufzusuchen als approbierte ärztliche oder psychologische Psychotherapeut/innen oder Psychiater/innen. In solchen Fällen werde ich selbstverständlich als Wegbegleiter zur notwendigen Behandlung fungieren. Im Vorfeld eines Burnout sind die hier angedeuteten Maßnahmen, insbesondere auch im verhältnisorientierten Blickwinkel und hinsichtlich Ihrer persönlichen Ressourcen, richtig und haben präventiven Einfluss.

Eine individuelle Stressanalyse liefert so immer gute Anregungen zur Entwicklung von Verbesserungen der Stresssituation. Dabei werden wir vor allem Ihre ganz persönlich relevanten Ressourcen ansprechen, die Ihnen die Kraft geben, die Stresssituation zu bewältigen. Als gesunder Mensch haben Sie in der Regel gute Möglichkeiten mit Stress klarzukommen. Wichtig ist es deshalb vor allem, auch die Stressoren um Sie herum (verhältnisorientiert) zu identifizieren und die Veränderung der Verhältnisse anzugehen. Wenn die gemeinsam erarbeiteten Verbesserungsziele konsequent umgesetzt werden, kann erwartet werden, dass sich die Stressempfindungen verringern und sich ihr Wohlbefinden sowie ihre Leistungseffizienz zunehmen. Daher darf ich wiederholen: Grundlage für die gemeinsame Entwicklung von Verbesserungen der Stresssituation ist eine gründliche ressourcenorientierte Stressanalyse und daraus folgend eine Beschreibung Ihrer Verbesserungsziele.


Literatur zu den genannten Methoden und darüber hinaus (ganz sicher nicht vollständig, aber - soweit bekannt - wissenschaftlich fundiert):

Bernstein, D. A., Borkovec, T. D., Höfler, R. & Kattenbeck, M. (1990, 2004). Entspannungs-Training: Handbuch der „progressiven Muskelentspannung“ nach Jacobson. München: Pfeiffer.

Burisch, M. (2010). Burnout erkennen, verstehen, bekämpfen Informationen für Führungskräfte (Broschüre). Hamburg: CConsult, VBG Versicherung.

Frijda, N. H. (2008). The Psychologists’ Point of View. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones & L. F. Barrett (Hrsg.), Handbook of Emotions (3rd ed., S. 68-87). New York: Guilford Press.

Greif, S. (2011). Stress management with bio- and neurofeedback (invited keyxnote),3rd European Coaching Psychology Conference (13.-14-12-2011). City University London.

Greif, S. (2018), Stress und Stressmanagement im Coaching, in: Greif, S., Möller, H., & Scholl, W. (Hrsg.). (2017, in Druck). Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching. Heidelberg: Springer, S. 563-572

Gross, J. J. (2008). Emotion Regulation. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones & L. F. Barrett (Hrsg.), Handbook of Emotions (3rd ed., S. 497-512). New York: Guilford Press.

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Heinrich, S. & Revenstorf, D. (1990). Ist Hypnose gefährlich? In Klinische Hypnose (S. 432-447). Berlin: Springer.

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Müller, T. & Paterok, B. (2010). Schlaftraining: Ein Therapiemanual zur Behandlung von Schlafstörungen. Göttingen: Hogrefe.

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Ott, U. (2011), Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst.

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